Die Anfänge der AFS-Flüchtlingshilfe-Stiftung liegen nun schon länger zurück und waren von vielen Hürden, die erfolgreich gemeistert wurden, geprägt.
„Hallo Herr Langer“, wurde ich vor einigen Tagen bei einem Empfang von einem Mann begrüßt, an den ich mich beim besten Willen nicht erinnern konnte. Herr Meng half mir auf die Sprünge: Er war in Kambodscha geboren, Ende der 70er-Jahre als Kind nach Österreich gekommen und hier dann einer unserer „Schüler“ im Flüchtlingslager. Jetzt arbeitet er im Management einer großen Firma. Dieses nette Treffen weckte eine Vielzahl an Erinnerungen, und so berichte ich heute über den Beginn der AFS-Flüchtlingshilfe.
Wir hatten schon damals ein gut funktionierendes AFS-Landeskomitee in Oberösterreich. Alle Agenden wurden zeitgerecht und erfolgreich abgewickelt und doch schien da etwas zu fehlen. Einige von uns, darunter der Chairman, wollten dem Auftrag Stephen Galattis entsprechend noch mehr an Friedensarbeit leisten.
1977 war gerade wieder eine große Zahl von Flüchtlingen nach Österreich gekommen, weitere wurden erwartet. Wir fassten den Entschluss, diesen Menschen bei der Integration und der Arbeitssuche zu helfen. Aber wie macht man das am besten? Wir entschieden uns dafür, ihnen die Grundkenntnisse der deutschen Sprache zu vermitteln.
Unser erster Versuch ins Aufnahmelager Thalham in St. Georgen nahe dem Attersee zu gelangen, scheiterte. „So etwas hat es noch nie gegeben, eine private Gruppe will da das Lager betreten - nein!“ Vorerst war also nur telefonischer Kontakt zum Lagerleiter möglich, und er verwies uns mit unserem Ansinnen ans Ministerium. Dort stand man dem ungewöhnlichen Vorschlag sehr skeptisch gegenüber, gestattete aber einen Besuch unter Aufsicht der Lagerleitung. Wir fanden bei diesem Besuch gleich heraus, wie wir es machen wollten, und der Lagerleiter hatte ein Einsehen. Der Speisesaal eignete sich als Unterrichtsraum, die Abende boten sich als Unterrichtszeit an, und ein Flipchart nahm ich aus dem Büro mit. Ein Flüchtling, der Englisch konnte, schrieb den ersten Einladungszettel auf Vietnamesisch.
Im monatlichen Newsletter von AFS Oberösterreich erschien ein Aufruf zur Mitarbeit. Auf diesen Aufruf hin meldeten sich zwei Lehrerinnen, eine Gastmutter und eine AFS-Mutter. Damit war unser erstes LehrerInnenteam gebildet. Am ersten Abend kamen gleich 120 Personen. Wir mussten selektieren und konzentrierten uns anfangs nur auf die Männer, stellten aber fest, dass die Kinder beim Folgeabend stets denselben Wortschatz hatten wie ihre Väter, und sie riefen uns die neu gelernten Worte freudig zu. An zwei Abenden der Woche fuhren wir zu dritt die 100 Kilometer ins Lager und hielten dort zwei Unterrichtseinheiten. Einer von uns kümmerte sich dabei ausschließlich um die Analphabeten, die es besonders schwer hatten.
In dieser ersten Zeit kam es noch zu einigen kleineren Gehässigkeiten seitens der Lagerleitung. So wurde das Ausfahrtstor während der Unterrichtsstunden versperrt, und wir mussten um 23 Uhr immer den Portier suchen, um wieder nach Hause fahren zu können. Das Ministerium meldete sich ebenfalls wieder. Um weiter unterrichten zu dürfen, war ein Lehrplan zur Genehmigung vorzulegen. Auch das erledigten wir rasch, wir hatten schließlich schon Erfahrung gesammelt.
Unser Ziel war es, ohne Mittlersprache und ohne Dolmetscher in sechs Wochen die „Schüler“ so weit zu bringen, dass sie fähig waren, sich um einen Arbeitsplatz zu kümmern und bei den Gemeindebehörden, beim Bürgermeister und beim Pfarrer Fragen zu verstehen und zu beantworten. Unser Prinzip war, nur einfache, grammatikalisch aber richtige Sätze zu unterrichten und die Anrede ausschließlich in der dritten Person vorzustellen. Dies sollte sich später als sehr nützlich erweisen.
Aus dem Lehrplan, unserem handgeschriebenen Skriptum und den Unterrichtsbehelfen mit Bildern aus Katalogen zu Themen wie Werkzeug, Kleidung, Möbel, Hygiene, wurden später Skripten, und neun Jahre nach Beginn unseres Unterrichts war in engster Zusammenarbeit mit der Uni in Klagenfurt ein Lehrbuch entstanden.
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