von Franziska Bauer
„Ihre Spende kann großes Bewirken“ von SOS Kinderdorf, oder „Deine Spende kann Wunder wirken“ wie ehemals von der Caritas verwendet sind gefühlt auf jeder zweiten Plakatwand in Wien zu lesen. Die Liste der Slogans und damit der Köder, die von Hilfswerken ausgelegt werden, um Spenden zu akquirieren, ist lang. Ob der Zweck beim Marketing immer die Mittel heiligt, ist fragwürdig. Was Leute tatsächlich dazu bewegen kann, ihre Geldbörsen zu öffnen, um zu helfen, soll im Folgenden dargestellt werden. In ihrem ausgezeichneten Buch „Poor Economics – Plädoyer für ein neues Verständnis von Armut“ führen die Ökonomen Abhijit V. Banerjee und Esther Duflo eine Studie an, die zeigt, „wie leicht wir uns von einem großen Problem überfordert fühlen.“ (Banerjee, Duflo, S.15) Die University of Pennsylvania führte ein Experiment durch, im Zuge dessen ForscherInnen Studierenden fünf Dollar und ein Flugblatt von Save the Children (eine der weltgrößten Wohltätigkeitsorganisationen) in die Hand gaben mit der Aufforderung, etwas für sie zu spenden. Die StudentInnen wurden nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt und erhielten jeweils unterschiedliche Flugblätter. Auf dem ersten war dies zu lesen „In Malawi sind über drei Millionen Kinder von Nahrungsmittelknappheit betroffen. Wegen fehlender Niederschläge ist die Maisproduktion in Sambia seit dem Jahr 2000 um 42 Prozent zurückgegangen. Das hat dazu geführt, dass drei Millionen Sambianer Hunger leiden. Vier Millionen Angolaner – ein Drittel der Gesamtbevölkerung – mussten aus ihren Heimatländern fliehen. Über elf Millionen Äthiopier sind auf sofortige Nahrungsmittelhilfe angewiesen.“ (Banerjee, Duflo, S.15) Den anderen Studierenden gab man ein Flugblatt, auf dem unter dem Foto eines kleinen Mädchens diese Worte standen: „Rokia ist ein siebenjähriges Mädchen aus Mali in Afrika. Sie lebt in bitterer Armut und leidet schweren Hunger. Mit Ihrer Spende können Sie ihr Leben zum Besseren verändern. Dank Ihrer Unterstützung und der anderen Spender kann Save the Children Rokias Familie und anderen Dorfbewohnern dabei helfen, Rokia zu ernähren, sie in die Schule zu schicken, ihr eine medizinische Grundversorgung zu ermöglichen und sie über Hygiene aufzuklären.“ (Banerjee, Duflo, S.16) Die Spendenbereitschaft der zwei Gruppen variierte extrem – mit dem ersten Flugblatt wurde durchschnittlich 1,16 Dollar gegeben, mit dem zweiten aber 2,83 Dollar. Wie Banerjee und Duflo feststellen, waren die Studierenden „also durchaus bereit, für Rokia Verantwortung zu übernehmen und ihr zu helfen, aber angesichts der Dimensionen des Problems fühlten sie sich ohnmächtig.“ (Banerjee, Duflo, S.16) Hierauf wurde ein zweites Experiment der gleichen Art durchgeführt. Die Voraussetzungen unterschieden sich nur dahingehend, dass die ForscherInnen dieses Mal dazusagten, dass die meisten Leute mehr spenden, wenn man ihnen nur eine/n einzelne/n Betroffene/n präsentiert, als wenn man nur mit allgemeinen Informationen aufwartet. Diesmal gaben diejenigen, die das erste Flugblatt zu sehen bekamen, nahezu dieselbe Summe wie vorher, nämlich 1,26 Dollar. Diejenigen mit dem Rokia-Flugblatt gaben nur geringfügig mehr, nämlich 1,36 Dollar. „Dass man die Studenten dazu gebracht hatte, noch einmal nachzudenken, hatte den Effekt, dass sie Rokia gegenüber weniger großzügig waren, ihr Verhalten allen anderen gegenüber hatte sich jedoch kaum geändert.“ Als Resümée konstatieren die Wirtschaftslehrenden, dass die meisten von uns wie die Studierenden reagieren, wenn sie mit Problemen wie der Armut konfrontiert werden. (Banerjee, Duflo, S.17) In seinem Artikel „How Hunger Can Go Viral“ zitiert Peter Catapono von der New York Times eine ähnliche (wenn nicht die gleiche) Studie: “In another recent study, researchers found that subjects considering donating money to an anti-hunger organization gave twice as much money when shown a single victim, a 7-year-old girl, than when they were told that the charity was working to relieve the hunger of millions.” (Catapano, S.1) Es liegt nicht in meinem Sinne, nun eine ethische Diskussion über Sinn und Unsinn von Marketingstrategien im Sinne von „Darf man kleine Mädchen wirklich für die Werbung instrumentalisieren?“ vom Zaun zu brechen. Es muss wohl jeder für sich (sofern er/sie nicht einer der größten Hilfsorganisationen der Welt angehört) entscheiden, wie weit Marketing für ihn/sie gehen sollte. Allerdings sollten diejenigen nicht vergessen werden, für die man eigentlich arbeitet – und das sind die zu Unterstützenden in den Ländern des Südens. Ob sie sich wohl für Werbeslogans und die dazugehörigen Bilder interessieren?
Quellen:
Banerjee, Abhijit V., Duflo, Esther, “Poor Economics: Plädoyer für ein neues Verständnis von Armut”, Albrecht Knaus Verlag, München 2012, S. 15 - 17)
Catapano, Peter, “How Kindness Can Go Viral”, The New York Times International Weekly, Monday, December 10, 2012, Seite 1, in Der Standard 10.12.2012.
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